Heute öffnen wir die Türen zu einem inspirierenden Gespräch mit niemand Geringerem als Cordula Nussbaum, der führenden Expertin für Zeitmanagement und Bestsellerautorin. In ihrem Buch „Organisieren Sie noch oder leben Sie schon? Zeitmanagement für kreative Chaoten“ zeigt sie, wie selbst Tausendsassa ihre Zeit effektiv nutzen können, ohne dabei in Stress zu verfallen.
Doch das ist noch längst nicht alles. In unserem Interview teilt sie wertvolle Einblicke darüber, wie Du trotz eines vollen Terminkalenders Zeit für Dich findest und gleichzeitig kreativ und organisiert arbeiten kannst. Wir werfen außerdem einen exklusiven Blick auf ihr neues Buch „Kopf voll, Hirn leer“ und erfahren, wie man selbst in Zeiten von Reizüberflutung konzentriert und leistungsfähig bleibt.
Cordula Nussbaum hat eine Fülle von Weisheiten zu bieten, die Dein Leben und Dein Zeitmanagement nachhaltig verändern können. Sei also gespannt auf unser aufschlussreiches Gespräch!
Inhalt:
Mit Zeitpuffern zu mehr Produktivität und weniger Stress
Sarah Gierhan: Cordula, danke, dass Du Dir die Zeit für unser Gespräch genommen hast trotz eines gerade sehr vollen Terminkalenders. Das führt mich auch gleich schon zur ersten Frage und direkt in unser Thema: Wie schaffst Du es, Deine Zeit so einzuteilen, dass Deine vielen Aktivitäten und Termine Dich nicht stressen?
Cordula Nussbaum: Für mich funktioniert klassisches Zeitmanagement nicht: To-do-Listen, Kalendereinträge und disziplinierte Zeitplanung haben bei mir sogar Stress verursacht. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass es auch eine Frage der Persönlichkeit ist, wie man sich organisiert. Ich bin ein kreativer Chaot, eine Scanner-Persönlichkeit, ein Tausendsassa, ein Multitalent. Also habe ich mich darauf konzentriert, meinen Frieden damit zu machen, und habe bewusst keine detaillierte Tagesplanung mehr erstellt. Stattdessen habe ich mir einen groben Fahrplan mit viel Freiraum für spontane Dinge geschaffen.
Sarah: Du sprichst von 50% Freiraum oder Zeitpuffer, während klassisches Zeitmanagement oft von 20-30% Puffer spricht. Teilst Du Dir in der Realität Deine Zeit wirklich so ein?
Cordula: Ja, definitiv. Als ich mich mit Zeitmanagement beschäftigt habe, habe ich von Anfang an gesagt, dass ich mindestens 50% Freiraum brauche, um meiner Natur gerecht zu werden. Die Welt ist heute so dynamisch und unvorhersehbar geworden, dass es wichtig ist, diesen Freiraum zu haben.
Sarah: Aber bedeutet das nicht, dass Du dann nicht alles schaffen kannst, was Du tun musst?
Cordula: Am Anfang meiner Berufstätigkeit habe ich das auch gedacht. Ich war gegen Zeitpuffer, fand sie spießig und langweilig und hatte das Gefühl, eine hohe Schlagzahl zu brauchen, um wirklich gut und wach zu sein. Aber als meine Tochter geboren wurde und meine Nächte unvorhersehbar wurden, habe ich gemerkt, wie sehr Zeitpuffer mir helfen können. Sie nehmen den Druck weg und ermöglichen es dir, produktiver zu sein. Wenn du zu dicht getaktet bist, bist du im Kopf schon gestresst. Zeitpuffer ermöglichen es dir durchzuatmen, dein Gehirn besser zu durchbluten und somit leistungsfähiger zu sein. Außerdem helfen sie, Aufgaben tatsächlich zu erledigen, ohne ständig von Neuem anzufangen. Auf lange Sicht gesehen schaffst du mit Zeitpuffern mehr als du denkst.
Sarah: Das heißt, wenn ich nicht 100% meiner Zeit verplane, sondern nur 50%, schaffe ich am Ende wahrscheinlich 110% meiner Aufgaben, weil ich 50% geplant habe und in den restlichen 50% aber 60% geschafft bekomme. Das klingt nach einer klugen Logik.
Cordula: Ja, genau, das ist eine tolle Logik für uns Tausendsassa.
„es ist okay, wenn wir nicht jeden Moment für Produktivität nutzen“
Sarah: Wenn Du aber so viel in dem Zeitpuffer oder dem Freiraum an Aufgaben bewältigst, wie findest Du dann noch Zeit für Dich? Das ist ja schließlich auch wichtig für dein Wohlbefinden.
Cordula: Absolut, das ist ja das eigentliche Ziel, warum wir überhaupt über die Organisation unserer Aufgaben nachdenken. Mein Ansatz ist nicht das klassische „schneller, höher, weiter“ des Zeitmanagements. Es geht für mich darum, effizient zu sein bei den Aufgaben, die effizient erledigt werden können, wie Buchhaltung oder Steuererklärungen, aber auch Zeit für mich selbst zu haben. Wir müssen uns bewusst Zeit für uns selbst nehmen. Zum Beispiel, wenn Du Dir eine Stunde Zeit für die Nachbereitung unseres Gesprächs nimmst, aber dann schneller fertig bist, kannst Du diese zusätzliche Zeit für Dich nutzen. Du suchst Dir nicht den nächsten Punkt aus Deiner riesigen To-Do-Liste, sondern setzt Dich gemütlich auf den Balkon in die Herbstsonne und genießt einen Tee. Es ist so wichtig, dass wir nicht jeden freien Moment mit Produktivität füllen, sondern auch einfach mal entspannen.
Sarah: Das hast Du ja auch in Deinem neuen Buch schön beschrieben.
Cordula: Ja, es ist okay, wenn wir nicht jeden Moment für Produktivität nutzen. Manchmal ist es einfach wichtiger sich zu erholen.
Sarah: Wenn ich mir zusätzliche Zeit verschaffe, neige ich dazu, sie mit Arbeit zu füllen, weil ich etwas wegschaffen möchte. So geht es auch vielen meiner Klient:innen, die zu mir ins Coaching kommen. Gibt es einen Tipp, wie man in dem Moment wirklich Zeit für sich selbst nehmen kann?
Cordula: Ja, das ist eine gute Frage. Wenn du merkst, dass du gewonnene Zeit sofort mit Arbeit füllen willst, versuche als erstes, dir dessen bewusst zu werden. Ich war auch ganz viele Jahre so unterwegs, dass ich gesagt habe: Erst schaffe, schaffe, Häusle bauen, und dann relaxe ich abends. Das habe ich aber selten geschafft. Gerade wir spontane, flexible, kreative Köpfe arbeiten oft länger, als wir eigentlich wollten, wenn wir mal im Flow sind. Daher mache ich heute das, was mir guttut, relativ früh am Tag. Nicht immer, aber an gewissen Tagen. Weil ich mich kenne: Wenn ich es nicht früh am Tag mache, bekomme ich es später nicht mehr rein.
Sarah: Das ist ein guter Tipp: zeitiger Pausen in meinen Tag einbauen, auch wenn es nur kurze Momente sind, kleine Zeit-Inselchen für mich.
Cordula: Genau, 10 Minuten, wo du in Ruhe einen Tee oder Kaffee trinkst. Wir denken häufig, Regeneration muss lang sein. Aber wenn wir uns bewusst kurze Zeiten für uns nehmen, sind wir insgesamt produktiver und gesünder. Wir brauchen dann insgesamt auch nicht so viel Regenerationszeit, um wieder fit zu werden, als wenn wir ständig über unsere Grenzen gehen.
„Es geht nicht darum, alles zu optimieren, sondern den Druck herauszunehmen und sich selbst anzunehmen“
Sarah: Einen sehr entspannenden Gedanken finde ich auch: Ich tue nicht nur dann etwas für mich, wenn ich meinen Hobbies nachgehe, sondern auch, wenn ich im Flow arbeite. Dann arbeite ich zwar, aber es macht mir ja Freude und tut mir gut.
Cordula: Ja, das sehe ich genauso. Ich finde es immer schade, wenn ich montagsmorgens das Radio anschalte und höre: „Schon wieder Montag, wie sollen wir diese Woche überstehen?“ Oder: „Gott sei Dank ist endlich Freitag“, weil uns das so eingeimpft worden ist, dass Arbeit doof ist. Es ist schön, wenn du für das, was du tust, brennst, aber nicht jeder muss seinen Job über alles lieben. Viele Leute sagen: „Mein Job ist okay, er sichert mir mein Leben“ und das ist völlig in Ordnung. Deshalb schau, was dir ganz individuell guttut, was du brauchst. Wenn du deine Umstände daran anpasst, wirst du automatisch konzentrierter und leistungsfähiger. Es geht nicht darum, alles zu optimieren, sondern den Druck herauszunehmen und dich selbst anzunehmen. Montagsmüdigkeit oder das „Endlich Freitag“-Gefühl sind nur gesellschaftliche Prägungen, denen du nicht folgen musst.
Trotz Reizüberflutung konzentriert und leistungsfähig bleiben?
Sarah: Das ist ein schönes Plädoyer. Du hast in Deinem neuen Buch den Untertitel gewählt: „Trotz permanenter Reizüberflutung konzentriert und leistungsfähig bleiben.“ Das klingt ein wenig nach Selbstoptimierung und einem stark durchgetakteten Tag, ehrlich gesagt.
Cordula: Als Autorin habe ich leider nur begrenzten Einfluss auf Titel und Untertitel meines Buchs. Aber das Buch zielt nicht auf Selbstoptimierung ab, wie Du es jetzt beschrieben hast. Es geht darum, auf sich selbst zu achten, herauszufinden, was einem guttut, und die Umgebung entsprechend anzupassen. Es geht darum, den Druck rauszunehmen und sich mit seinen spezifischen Bedürfnissen anzunehmen.
Sarah: Ja, das sage ich auch immer wieder. Man muss erst mal herausfinden, wie man selbst tickt und was einem guttut. Dann kann man die Umgebung und das Zeitmanagement entsprechend anpassen. Den Schritt aus der gewohnten Bahn zu wagen, die uns Sicherheit gibt, erfordert allerdings auch viel Mut. Was rätst Du in solchen Fällen?
Cordula: Der erste Schritt ist, bewusst wahrzunehmen, welche Reize auf einen einströmen und wie es einem mit der Reizüberflutung, der Informationsflut oder der Aufgabenflut geht. Wenn es einem guttut, ist das völlig in Ordnung. Aber wenn man feststellt, dass man es ruhiger angehen möchte, sollte man das tun, auch wenn andere vielleicht etwas anderes sagen. Ändere kleine Dinge, die die anderen vielleicht gar nicht mitbekommen. Arbeite mit Blockern oder Fokus-Zeiten in deinem Kalender. Das sind Zeiten, in denen wir uns mit Fug und Recht ausklinken, um konzentriert an einer Sache zu arbeiten. Ich erlebe das immer wieder durch alle Branchen und Hierarchien: dieses permanente Gefühl von Erreichbarkeit, dieses Gefühl, nie störungsfrei arbeiten zu können. Dafür braucht es die Fokus-Zeiten. Und dann suche Mitstreiter, um Veränderungen gemeinsam anzugehen. Wir sind nicht allein, und wenn wir uns zusammentun, können wir Dinge sehr viel leichter verändern. Lass dich nicht von gesellschaftlichen Erwartungen stressen.
Individuelle Zeitplanung mit Zeitpuffern: Mach’s auf deine Art
Sarah: Das ist schön, ich habe sogar einen Zettel, auf dem steht: Ich mache es auf meine Art. Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass es in Ordnung ist, Dinge anders zu tun als andere.
Cordula: Ja, das kann wirklich helfen, sich das bewusst vor Augen zu führen und irgendwo stehen zu haben. Manchmal ist es nicht einfach, vor allem, wenn man von anderen deshalb angegriffen wird. Solche Gespräche wie dieses mit Dir, Sarah, sind wertvoll, um zu erkennen, dass wir richtig sind, so wie wir sind. Wir sollten aufhören, uns gegenseitig das Leben schwer zu machen, sondern unsere Talente und Fähigkeiten zusammenbringen, um Großartiges zu schaffen.
Sarah: Das ist der Grund, warum ich tue, was ich tue. Ich glaube, dass in uns Tausendsassa ein enormes Potenzial steckt. Wenn wir uns nur trauen, nach unseren eigenen Werten zu leben und unser Leben danach auszurichten, können wir viel für uns und die Gesellschaft erreichen. Das ist mir sehr wichtig! Vielen Dank für das inspirierende Gespräch, liebe Cordula.
Cordula: Vielen Dank, Sarah. Es war schön, mein Wissen mit Dir und den Tausendsassa zu teilen.